Genehmigungsvoraussetzungen für Viehstallungen

Gemäß der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) sind Viehställe ab einer bestimmten Größenordnung, die dem Anhang in Nr. 7.1 zu entnehmen ist, genehmigungspflichtig nach Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG). Unter dieser Grenze besteht lediglich eine Baugenehmigungspflicht. Ist man in der Genehmigungspflicht nach BImSchG, so kommt man bereits relativ schnell in die Spalte 1 der 4. BImSchV, d. h. es muss ein förmliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchlaufen werden. So liegt die Grenze der Genehmigungspflichtigkeit bei Sauenställen beispielsweise bei 560 Plätzen. Bereits bei mehr als 750 Sauenplätzen rutscht man in das förmliche Genehmigungsverfahren. Zu beachten ist, dass bei der Berechnung auch der Altbestand mit berücksichtigt werden muß. Sind gemischte Viehbestände vorhanden, so werden auch diese mit berücksichtigt und eine prozentual anteilige Berechnung durchgeführt. Die Genehmigungspflichtigkeit ergibt sich dann, wenn die Summe der Vom-Hundert-Anteile größer als 100 ist.

Zumeist ist bei größeren Viehstallungen gleichzeitig auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) gemäß UVP-Gesetz durchzuführen. Für Sauenställe sind in Anl. 1 des UVPG unter Nr. 7.8 beispielsweise folgende Grenzen genannt:

-         bei mehr als 900 Sauenplätzen ist immer eine UVP durchzuführen

-         bei mehr als 750 bis 899 Sauenplätzen muss eine allgemeine Vorprüfung durchgeführt werden

-         bei mehr als 560 bis 749 Sauenplätzen ist eine standortbezogene Vorprüfung durchzuführen

Auch hier sind wiederum bereits vorhandene Bestände mit zu berücksichtigen und gegebenenfalls eine prozentual anteilige Berechnung aufzustellen. Die Vorprüfung wird von der zuständigen Genehmigungsbehörde durchgeführt. Neben den eigentlichen Genehmigungsunterlagen hat der Antragsteller hierzu weitere Angaben über die Auswirkungen des Projektes auf Menschen, Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima, Landschaft und Kulturgüter zu machen. Die Angaben hierzu können jedoch in einer kurzen, tabellenartigen Form erfolgen. Gemäß Anlage 2 des UVPG ist dabei in die Kapitel

-         Beschreibung der Merkmale des Projektes

-         Beschreibung zum Standort des Projektes

-         Beschreibung der möglichen Auswirkungen

zu untergliedern.

Die zuständige Behörde trifft anhand dieser Unterlagen eine Entscheidung über die UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens. Der Unterschied zwischen der allgemeinen und der standortbezogenen Vorprüfung besteht darin, dass die zuständige Behörde im letzteren Fall die Durchführung einer UVP nur im Ausnahmefall, wenn außergewöhnliche Standortbedingungen dies erfordern, anordnen kann. In ersterem Fall liegt eine UVP-Pflicht bereits vor, wenn gemäß § 3e UVPG „aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in Anlage 2 aufgeführten Kriterien“ das Projekt „erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann“. Der Besorgnisgrundsatz ist hier also maßgebend. Bei der Vorprüfung wird die Öffentlichkeit im Gegensatz zum eigentlichen UVP-Verfahren  nicht beteiligt. Die Entscheidung der Behörde ist allerdings öffentlich bekannt zu machen. Sie ist jedoch nicht selbständig gerichtlich anfechtbar.

Hinsichtlich Immissionsschutz sind bei Viehstallungen vor allem drei Aspekte bedeutsam:

-         die Entstehung von Gerüchen

-         die Ausbreitung von Ammoniak

-         der Eintrag von Stickstoff in den Boden der Umgebung.

Durch Viehstallungen kommt es immer wieder zu Geruchsbelästigungen in der Nachbarschaft. Um nicht bei jedem Genehmigungsverfahren Geruchsausbreitungsrechnungen durchführen zu müssen, wurden anhand von Erfahrungswerten Mindestabstände zur nächsten Wohnbebauung in Abhängigkeit von der Anzahl der vorgesehenen Großvieheinheiten berechnet. Diese sind in der TA-Luft in Kapitel 5.4.7.1 in Form einer Grafik dargestellt (Abbildung 1). Berücksichtigung fand hierbei auch, dass Geflügel unangenehmere Gerüche verursacht als Schweine. Die Mindestabstände für Geflügel sind dementsprechend größer gewählt. Die angegebenen Mindestabstände können reduziert werden, wenn entsprechende primere Geruchsminderungsmaßnahmen oder Abluftreinigungsvorrichtungen vorgesehen werden. Die Bestimmung der Mindestabstände erfolgt in Anhängigkeit von den vorhandenen zuzüglich der geplanten Großvieheinheit. Eine Großvieheinheit (GV) entspricht dabei einer Tierlebendmasse von 500 kg. Die Umrechnung der Tierplatzzahlen in Großvieheinheiten kann dabei anhand der Tabelle 10 in Kapiteln 5.4.7.1 der TA-Luft erfolgen.

Kann der so bestimmte Abstand nicht eingehalten werden, sollte eine Ausbreitungsrechnung durchgeführt werden. Die sich aus Abbildung 1 ergebenden Abstände resultieren aus einer sehr konservativen Betrachtungsweise. Die sich bei einer genauen Ausbreitungsrechnung ergebenden Abstände sind zumeist deutlich niedriger. Aussagen über die Zulässigkeiten von Gerüchen werden dabei der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) NRW entnommen. Hiernach gelten Gerüche noch als zulässig, wenn sie in Wohngebieten nicht häufiger als 10 % der Jahresstunden auftreten. Dem liegt die Erkenntnis zu Grunde, dass nicht die Intensität eines Geruches sondern die Häufigkeit seines Auftretens maßgeblich ist für den Grad der Belästigung. In Dorfgebieten beträgt dieser Wert 15 %. In Außenbereichen sind unter Umständen auch 25 % noch akzeptabel. In der im Herbst 2009 letztmalig überarbeiteten GIRL werden die unterschiedlich unangenehm empfundenen Gerüche von Geflügel, Schweinen und Rindern durch verschiedene Gewichtungsfaktoren mit berücksichtigt. Die Geruchsqualität „Rind“ wirkt kaum belästigend, gefolgt von der Geruchsqualität „Schwein“ und der Geruchsqualität „Geflügel“ mit der stärksten Belästigungswirkung. Achtung: Die GIRL ist keine rechtsverbindliche Norm, sondern lediglich ein Kriterium zur Beurteilung von Geruchsimmissionen. Sie wird jedoch wegen ihrer hohen wissenschaftlichen Basis von Gerichten im Normalfall anerkannt. Die Bestimmungen der GIRL haben zudem Eingang gefunden in den Entwurf der neuen TA-Luft, mit deren Verabschiedung voraussichtlich noch in 2018 zu rechnen ist.

Die von den Stallungen ausgehenden Ammoniakemissionen haben Auswirkungen auf benachbarte Pflanzen und Ökosysteme. Ammoniak besitzt in Verbindung mit der Luftfeuchtigkeit eine ätzende Wirkung (Bildung von Salmiakgeist). Dies führt zur Braunfärbung von Blättern und Vergilbung von Nadeln. Durch Ammoniakdeposition (Deposition = Ablagerung von Schadstoffen aus der Luft auf den Boden) kann es zudem zu einem übermäßigen Stickstoffeintrag und damit Überdüngung in natürlichen Bewuchszonen kommen, die ansonsten keiner kulturmäßigen Düngung unterliegen. Besonders Pflanzen, die natürlicherweise an nährstoffarme Böden angepasst sind, reagieren hier empfindlich. Aus diesem Grund müssen zu Ökosystemen mit stickstoffempfindlichen Pflanzen wie Heide, Moor, Magerwiesen und ältere Wälder (in der Regel keine Nutzwälder), aber auch zu Baumschulen und Kulturanpflanzungen Mindestabstände eingehalten werden. Hierbei soll als Orientierungswert ein Abstand von 150 m nicht unterschritten werden. Bei größeren Ammoniakemissionen erhöht sich dieser Mindestabstand gemäß Abbildung 4 im Anhang 1 der TA-Luft. Die zu erwartenden Ammoniakemissionen können dabei anhand einer gleichfalls in Anhang 1 aufgeführten Tabelle mit Faktoren überschlägig berechnet werden.

Die gemäß Abbildung 4 ermittelten Abstände ergeben sich jedoch, wie bereits die überschlägig bestimmten Geruchsabstände, aus einer sehr konservativen Betrachtungsweise. In der Praxis sind sowohl die Ammoniakemissionen, als auch die sich bei einer Ausbreitungsrechnung ergebenden Immissionswerte oftmals deutlich niedriger. Vom LANUV wurde daher ein weiteres Abschätzungsmodel vorgeschlagen, dass zu geringeren Abständen vor allem bei hohen Ammoniakemissionen führt. Jedoch stellt auch dieses Model noch eine ungünstige Betrachtungsweise dar. Können die so ermittelten Mindestabstände wiederum nicht eingehalten werden, sollte daher eine standort-bezogene Ausbreitungsrechnung durchgeführt werden. Hierbei werden die Abstände berechnet, ab dem die zusätzliche Belastung durch das geplante Projekt weniger als 3 µg/m3 beträgt. Kritische Objekte (Wohnbebauung, Gärtnereien, Heide, Moor usw.) müssen sich in dem Bereich mit einer geringeren Zusatzbelastung befinden. Die Gesamtbelastung (bisherige Belastung + Zusatzbelastung) darf 10 µg/m3 nicht übersteigen.

Um hier Abhilfe zu schaffen, wurde 2003 ein Arbeitskreis „Ermittlung und Bewertung von Stickstoffeinträgen“ ins Leben gerufen, der ein einfach durchzuführendes Verfahren entwickeln sollte. Dieser Arbeitskreis legte 2006 einen Entwurf vor, der von mehreren Fachverbänden heftig kritisiert wurde, jedoch dennoch auf Beschluss der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz zunächst in Form einer 2 jährigen Probephase Eingang in die Genehmigungsverfahren fand. Wegen weiterhin bestehender zahlreicher Ungereimtheiten wurde diese Probephase um ein Jahr verlängert. Im Juni 2009 legte der Arbeitskreis seinen in mehreren Punkten korrigierten Abschlussbericht vor. Danach ist eine erste Abschätzung des Stickstoffeintrags ähnlich einfach durchzuführen, wie die oben beschrieben Abschätzung der Mindestabstände bei Ammoniakemissionen. Ein großes Manko der dort beschriebenen Vorgehensweise ist jedoch, dass so gut wie keine durch Messungen ermittelten Vorbelastungen (Ist-Zustand) für Deutschland vorliegen. Es finden daher berechnete Werte Anwendung, die im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) in
Ausbreitungs- und Wirkmechanismen von Ammoniak

Neben der Betrachtung der Ammoniakemissionen fordert die TA-Luft auch eine separate Abschätzung der durch das geplante Projekt zusätzlich verursachten Stickstoffeinträge in den Boden der Umgebung, vor allem bei dort vorhandenen, stickstoffempfindlichen Ökosystemen. Dies wird begründet mit unterschiedlichen Ursachen und Wirkpfaden von Ammoniak und Stickstoff. So erfolgt der Stickstoffeintrag in erster Linie über das Wurzelsystem der Pflanzen. Zudem ist bei der Ermittlung des Gesamtstickstoffeintrags auch der Stickstoff aus NOx-Verbindungen in der Luft zu berücksichtigen. Da es bisher jedoch keine zuverlässigen Angaben über die bereits vorhandenen Stickstoffeinträge für bestimmte Flächen gab, wurde auf diese Abschätzung in der Vergangenheit verzichtet. Der Eintrag von Stickstoffemissionen gilt laut TA-Luft als unkritisch, wenn eine Besatzdichte von 2 Großvieheinheiten pro ha Landkreisfläche nicht überschritten wird. In den viehintensiven Regionen Nordwestdeutschlands und Bayerns kann dieser Wert jedoch oftmals nicht eingehalten werden. Die TA-Luft sieht in diesem Fall eine Sonderfallprüfung (gutachterliche Stellungnahme) vor, bei der Art und Vorbelastung der Böden, Art der vorhandenen Vegetation und Gefährdungsgrad der benachbarten Ökosysteme berücksichtigt werden. Der hierbei zu betreibende Untersuchungsaufwand ist sehr umfangreich und kostenintensiv. Unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit unterblieben diese Untersuchungen in der Vergangenheit daher zumeist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

einem Raster von 1 x 1 km für Deutschland ermittelt wurden. Diese Stickstoff-Vorbelastungswerte können über das Internet beim UBA abgefragt werden. Der Abschlußbericht des Arbeitskreises mit der dort vorgestellten Vorgehensweise kann über das LANUV als PDF-Datei bezogen werden. Ob und wieweit sich diese Vorgehensweise bundeseinheitlich in der zukünftigen Genehmigungspraxis bewehren wird, bleibt abzuwarten.

In Kapitel 5.4.7.1 der TA-Luft werden auch zahlreiche bauliche und betriebliche Anforderungen genannt, die den Austrag von Ammoniakemissionen und Gerüchen verringern helfen sollen. So soll beispielsweise die Lagerung von Flüssigmist außerhalb des Stalles in geschlossenen Behältern erfolgen (Ausnahme Rinderflüssigmist). Dabei ist die Lagerkapazität so zu bemessen, dass sie für mindestens 6 Monate ausreichend ist. Gemäß neuer Düngemittelverordnung muss die Lagerkapazität ab Januar 2020 für Flüssigmist generell auf 9 Monate erhöht werden.

Unabhängig von den einzuhaltenden Mindestabständen kann es bei benachbarten Vogelschutz-, Naturschutz- oder FFH-Gebieten zu Problemen durch die Verdrängung von Vögeln oder geschützten Tierarten bei Errichtung der Stallungen nicht unmittelbar an der Hofstelle kommen. Dies kann geschehen durch die Beseitigung von Gehölzen oder die Scheuchwirkung von höheren Gebäudeteilen. Da diese Punkte Gegenstand von UVP-Vorprüfungsverfahren sind, sollten hierzu in diesem Fall Angaben in den eingereichten Genehmigungsunterlagen vorhanden sein. Kommt es zu einer Verdrängung geschützter Tierarten, muss gegebenenfalls über Kompensationsmaßnahmen nachgedacht werden.

Kompensationsmaßnahmen werden auch erforderlich durch die Versiegelung von Böden oder durch Abholzung wertvoller Bäume oder Sträucher bei der Errichtung von Gebäuden oder befestigten Flächen. Dies ergibt sich sowohl aus den § 13-15 BNatSchG als auch durch § 200a BauGB. Der Umfang der Kompensationsmaßnahmen wird berechnet anhand von Ökopunkten. Die Vergabe von Ökopunkten erfolgt dabei jedoch anhand von je nach Bundesland und teilweise sogar je nach Regierungsbezirk unterschiedlichen Berechnungsmodellen. So erhält in NRW eine brache Grünlandfläche bei einer Bebauung 3 bis 6 Ökopunkte je m2, je nach Naturnähe der Fläche und verwendetem Modell. Eine bereits versiegelte Fläche wird dagegen bei einer Bebauung mit 0 Ökopunkten je m2 eingestuft, d. h., hier fallen keine Ausgleichsmaßnahmen an. Durch die Abholzung von Bäumen fallen je nach Dicke, Art und Standort der Bäume 3 bis 10 Ökopunkte je m2 an. Multipliziert man diese Ökopunkte mit der versiegelten bzw. abgeholzten Flächengröße ergibt sich die Gesamtanzahl an negativen Ökopunkten. Hierfür ist eine Kompensationsmaßnahme durchzuführen, die eine gleiche Anzahl von positiven Ökopunkten bewirkt. In der Vergangenheit sollten Kompensationsmaßnahmen funktional gleichwertig und räumlich benachbart erfolgen. So war an Stelle eines abgeholzten Waldes in unmittelbarer Nachbarschaft eine Fläche aufzuforsten. Mit der Novellierung des Bau- und Raumordnungsgesetzes im Jahr 1998 ist diese strenge Bindung jedoch aufgehoben worden. So können Kompensationsmaßnahmen jetzt z. B. bereits im Vorhinein durchgeführt und dadurch ein so genanntes Ökokonto geschaffen werden. Der Ausgleich kann auch über Gemeindegrenzen hinweg erfolgen und Ökopunkte aus einem Ökokonto können sogar verkauft bzw. käuflich erworben werden. Verursacher und Kompensator müssen also nicht mehr identisch sein. Kompensationsmaßnahmen können beispielsweise sein neben der Anpflanzung von Bäumen oder Wallhecken, die Anlage von "Blühstreifen" aus Wildblumen neben bzw. zwischen Ackerflächen, die Umwandlung von Ackerland in extensives Grünland oder die Renaturierung von Flächen in Bereichen, in denen eine intensive Landwirtschaft heute nicht mehr sinnvoll durchführbar ist

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